Peter Schnürpels Schaffen ist von beeindruckender Unverwechselbarkeit. Bei aller Mitsprache malerischer Elemente wurde die Linie sein ureigenes Medium. Doch fern von pedantischem Kalkül, widerstrebt seinem Temperament und Eigensinn jeglicher Purismus. Jeder Strich ist nervös und zupackend zugleich, energisch und sensibel, tief emotional und oftmals wie elektrisiert. Seine Bildzeichen verwandeln das Momentane in suggestive Hieroglyphen, ohne die handschriftliche Unmittelbarkeit abzustreifen, die Wehen der eruptiven Bildgeburt. Mit wahrer Inbrunst ist besonders der Radierkunst verdichtend abgerungen, was sie an technischen Finessen erlaubt. Daher steckt in jedem Blatt ein hohes Maß an grafischer Kultur und Meisterschaft.

Seine Kunst siedelt am Kreuzweg einer doppelten Passion. Denn in ihr durchdringen sich Leidenschaft der Formsprache mit wachem Gespür für schicksalhafte Dramen und Konflikte, innere wie äußere. Grenzt sie auch Scherzo und Burleske nicht völlig aus, haben Schwermut und Drangsal Schnürpels Bildwelt doch weit stärker geprägt als spielerische Unbefangenheit. In steigendem Betroffensein antwortet seine Kunst auf das, was sich um ihn und in ihm selbst an existentieller Unruhe und Erfahrung anstaut. Dabei kreist sein Werk fast immer um zentrale Themen. Lange Zeit, als Frucht des Enthusiasmus für den Sport, fesselten ihn die Läufer bei steter Zunahme tragischer Untertöne. Danach zogen ihn besonders Träger in den Bann, gleichnishafte Gestalten mit einem Todkranken auf den Schultern, analog zum Bibelwort: Einer trage des anderen Last. In den letzten Jahren ging jedoch die Dominanz an die Black Dancers über. Im Licht und Schatten der Korrelation zwischen Eros und Thanatos vereinen sich Tod und Frau zum turbulenten Paar, lustvoll und zwanghaft ins Bild gebracht in Aberdutzenden von Varianten voller Drastik, Spuk und Hintersinn. Zeitlos und modern aus unverhohlen subjektiver Sicht.

Dr. Dieter Gleisberg